Die Feuerwalze kennenlernen

1. Februar 2022, 18:22 UhrSchlagwörter: , ,

Feuerwehr Ibbenbüren bildet ihr Personal in einer eigenen Rauchgasdurchzündungsanlage aus

Ibbenbüren, 1. Februar 2022. Es ist früh am Morgen. Es ist ein wenig neblig. Und es ist kalt. Ziemlich sogar. Um einen Tisch steht eine Gruppe junger Menschen. Und rüstet sich aus. Helm, Schutzkleidung, Atemluftflaschen. Was man so braucht im Einsatz. Bald werden sie Brandmeister sein, Berufsfeuerwehrfrauen und -männer. Noch sind sie es aber nicht. Noch sind sie an der Feuer- und Rettungswache Ibbenbüren in der Ausbildung. Und der heutige Morgen hält einen ganz besonderen Ausbildungsinhalt für die Truppe bereit.

Drei Buchstaben: RDA. Hinter diesem Akronym verbirgt sich das Wortungetüm Rauchgasdurchzündungsanlage. Was das ist? Hier probt die Ibbenbürener Feuerwehr was zu tun ist, wenn Rauchgase bei einem Brand plötzlich durchzünden. Ein realistisches und vor allem ein hochgefährliches Szenario. „So etwas gilt es im Einsatz unbedingt zu vermeiden, denn es bringt unsere Kräfte in Gefahr“, betont Bernward Plake, der als Ausbilder mit dabei ist. „Wir müssen darauf vorbereitet sein, was zu tun ist, damit es nicht passiert und wie wir uns verhalten, wenn es doch passiert. Und wir lernen die extreme Wärme kennen, die bei einem Brand entsteht.“ Gewöhnung. Ganz wichtig. Um es nicht das erste Mal gleich im Ernstfall erleben zu müssen. Dafür hat die Feuerwehr Ibbenbüren ihre Rauchgasdurchzündungsanlage, ein von der RAG-Lehrwerkstatt nach DIN umgebauter Überseecontainer. Mit Brand- und Beobachtungsraum. „Hier können wir echte Einsatzszenarien nachstellen“, erklärt Plake. Realbrandausbildung – besser geht‘s nicht.

Wie gefährlich eine solche Durchzündung sein kann, zeigt sich eine knappe halbe Stunde später. Das Feuer in der Anlage – der Umwelt zuliebe wird natürlich nur unbehandeltes Holz verbrannt – lodert. Es qualmt. Mächtig. Dicke Schwaden ziehen über das Gelände. Die Ausbildungsgruppe ist mittlerweile ausgerüstet und kauert auf dem Boden des Containers. Drinnen. In Rauch und Feuer. Die Tür öffnet sich – und von drinnen schießt eine Feuerwand beeindruckenden Ausmaßes heraus. Über die Köpfe der künftigen Brandmeisterinnen und Brandmeister. Das ist sie. Die Rauchgasdurchzündung. Alles gut? Im Container gehen die Daumen hoch. Alles gut!

Über eine Einrichtung wie diese Rauchgasdurchzündungsanlage verfügen nur ganz wenige Feuerwehren überhaupt. „Von diesen Anlagen gibt es nicht allzu viele in Nordrhein-Westfalen“, sagt Bernward Plake. „Baugenehmigung, Gefährdungsanalyse, Sicherheitsregelwerk und Hygienekonzept – wir haben hier alles beachtet.“ Die Ibbenbürener Anlage ist seit 2005 in Betrieb, zwischendurch aber vom Gerätewart der Feuerwehr Ibbenbüren, Olaf Hoppe, noch einmal komplett restauriert worden.

14 Ausbilder hat die Feuerwehr Ibbenbüren aktuell in ihren Reihen, die an der RDA arbeiten dürfen. Das ist eine mehr als solide Basis. Und: Die Freiwillige Feuerwehr der Stadt wird ebenfalls an der RDA ausgebildet. Das ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben – aber wenn man die Möglichkeit zu einer noch professionelleren Ausbildung schon mal hat… „Damit bieten wir unserer Feuerwehr schon ganz besondere Möglichkeiten“, sagt auch Ibbenbürens Bürgermeister Dr. Marc Schrameyer. „Für Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger ist das natürlich gut.“ Und es spart auch noch Kosten. Das Training in gewerblichen Anlagen kostet mehrere 1000 Euro am Tag. Übrigens: Nicht nur Berufs- und Freiwillige Feuerwehr der Stadt üben hier, es kommen auch Gäste aus dem Ruhrgebiet. Die Berufsfeuerwehr Gelsenkirchen bildet hier ebenfalls aus. Dafür dürfen die Ibbenbürener ein gasbefeuertes Brandhaus in Gelsenkirchen nutzen. „Da können wir dann alle Feinheiten des Innenangriffs im Realszenario üben“, sagt Bernward Plake.

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Jetzt stehen die Türen der RDA nach erfolgtem Durchzündung offen, der Rauch verzieht sich – Durchgang erfolgreich. Und definitiv ein Erlebnis – nicht nur für die zwölf Brandmeisteranwärterinnen und -anwärter, die heute in der Anlage sind. Der Ausbildungslehrgang ist nämlich weit über 20 Frauen und Männer stark. Und deshalb geteilt. Eine zweite Brandmeister-Ausbildungstruppe ist im Wald. „Kettensägenausbildung“, berichtet Bernward Plake. Auch das gehört dazu. Vorher waren sie in der Rauchgasdurchzündungsanlage. Und auch bei ihnen waren die Flammen beeindruckend. Natürlich. Das sind sie immer, wenn es zur Rauchgasdurchzündung kommt. „Die Ausbildung in Ibbenbüren ist schon bekannt“, so Plake.

In Betrieb ist die Anlage im Übrigen nur von Oktober bis März. Zum Schutz der Natur – und zum Schutz nistender und brütender Tiere. „Die anstehenden Ausbildungslehrgänge bekommen wir bis dahin noch durch“, sagt Bernward Plake. Und dann ist Pause. Erstmal. Danach sucht die Feuerwehr nach einem neuen Standort für die Anlage, denn der aktuelle wird nicht mehr zur Verfügung stehen. Vielleicht findet sich bis Herbst ja eine geeignete Fläche. „Wir werden jedenfalls alles tun, um unsere Feuerwehr da zu unterstützen“, verspricht Bürgermeister Dr. Marc Schrameyer. Und irgendwann steht dann wieder eine Gruppe junger Menschen um einen Tisch. Und rüstet sich aus. Morgens. Und vielleicht ist es auch dann wieder neblig….

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Rauchgasdurchzündung: Zu einer Rauchgasdurchzündung kommt es, wenn sich ein Feuer mit unvollständiger Verbrennung entwickelt und bei ausreichend vorhandenem Sauerstoff, einen Raum und seine Bestandteile so aufheizt, so dass sich Pyrolysegase bilden. „Das bedeutet: Holz und Kunststoffe, zum Beispiel Möbel, gasen bei großer Wärmebeaufschlagung brennbare Stoffe aus“, sagt Karl-Heinz Rolf, Leiter der Feuerwehr Ibbenbüren. Diese Gase sammeln sich unter der Zimmerdecke, werden weiter erhitzt und breiten sich in der Wohnung aus. Ist der Zündpunkt erreicht, zündet das Gas durch, eine Feuerwand schiebt sich horizontal die Zimmerdecke entlang. „Hierbei können Temperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius entstehen.“

Quelle: Stadt Ibbenbüren

 

 

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